Anbaumenge von Cannabis und Mohn in Afghanistan seit 2007 und alternative Wege der Drogenbekämpfung

Schriftliche Frage, Quelle

Abgeordneter Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wie viel Cannabis und Mohn wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit 2007 in Afghanistan angebaut, und hält die Bundesregierung es angesichts des weitgehend erfolglosen Kampfes gegen die Drogenanbauer in Afghanistan nicht auch für richtig, statt weiterer Bekämpfung mittels Feuer, Repression und Krieg neue Wege auszuprobieren, etwa die gesamte Drogenproduktion aufzukaufen, Cannabis zu entkriminalisieren und zu besteuern sowie Opium Ärzten, dem Roten Kreuz und anderen karitativen Organisationen als hochwirksames Schmerzmittel etwa zum Einsatz in Afrika zur Verfügung zu stellen, um den hochprofitablen illegalen Drogenmarkt hier und in Afghanistan auszutrocknen?

Antwort des Staatsministers Michael Link vom 22. Februar 2013

Die Bundesregierung erhebt keine eigenen Daten zum Anbau von Schlafmohn und Cannabis in Afghanistan, sondern stützt sich auf die Berichte des Büros der Vereinten Nationen zur Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC). Die Anbauflächen von Schlafmohn lassen sich relativ sicher quantifizieren, die daraus resultierende Menge Roh-Opium wird durch Experten geschätzt. Der Ertrag pro Hektar schwankt aufgrund von Witterungsbedingungen und Ernteschäden zum Teil erheblich.

BILD siehe http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/125/1712582.pdf

Die Bundesregierung steht der Suche nach legalen Alternativen grundsätzlich offen gegenüber. Der Ansatz der kontrollierten Lizensierung für die Produktion von schmerztherapeutischen Medikamenten nach dem Vorbild z. B. der Türkei und Indiens beruht jedoch auf Grundvoraussetzungen, die momentan in Afghanistan nur unzureichend gegeben sind. Der afghanische Staat wäre derzeit nicht in der Lage, eine Derivation von lizensiertem Schlafmohn in den illegalen Drogenhandel zu verhindern. Eine Lizensierung in nur einigen ausgewählten Provinzen würde hingegen vorherrschende Konflikte verstärken sowie der Argumentationslinie der afghanischen Regierung und die Glaubwürdigkeit vieler Afghanen (Rauschmittelproduktion ist unislamisch) unterlaufen. Weiterhin wäre eine ausreichende Nachfrage nach afghanischem Opium zu medizinischen Zwecken auf dem Weltmarkt sicherzustellen. Trotz der Beteuerungen einiger Fürsprecher ist die tatsächliche Nachfrage unklar. Im Übrigen wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 10 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/2288 verwiesen.

Konkrete Auswirkungen der aufgezeigten Alternativen (z. B. die kontrollierte Lizenzierung für die Produktion von schmerztherapeutischen Medikamenten) auf den illegalen deutschen Drogenmarkt lassen sich kaum prognostizieren. Selbst wenn eine ausreichende Nachfrage nach afghanischem Opium zu medizinischen Zwecken auf dem Weltmarkt sichergestellt und der Abfluss afghanischen Heroins in die illegalen internationalen Märkte reduziert werden würde, blieb bei der Menge des in Afghanistan produzierten Opiums noch immer eine bedeutende Menge erhalten, die den illegalen internationalen Beständen zugeführt werden könnte.

Zudem bestehen für die Täterstrukturen alternative Bezugsquellen. So könnte der illegale europäische Markt und damit auch der illegale Markt in Deutschland die Heroinversorgung verstärkt aus der seit Jahren wieder wachsenden Opiumproduktion in Myanmar (2012: 51 000 ha Schlafmohnanbaufläche; 690 t Opiumproduktion), die zurzeit vorwiegend den asiatischen Raum bedient, generieren. Ähnliches lässt sich auch mit Blick auf Cannabislieferungen aus Afghanistan anmerken. Auch hier würde eine Eindämmung der potenziell für den europäischen Markt bestimmten Produktionsmengen an Haschisch nur eine Teillösung darstellen, zumal der illegale westeuropäische Markt noch immer in weiten Teilen aus dem Anbau in Marokko bedient wird.

Die Bundesregierung hat stets auf die komplexe Problemlage in Bezug auf die Drogenbekämpfung in Afghanistan hingewiesen und versucht zu verdeutlichen, dass nur die Zusammenführung unterschiedlicher Ansätze langfristig zum Erfolg führen kann. Die Erfahrungen aus anderen so genannten Drogenstaaten zeigen, dass die Lösung
von Drogenfragen eher in Jahrzehnten als in Jahren zu bewerkstelligen ist. Der Drogenanbau in Afghanistan bleibt daher weiterhin eine große Herausforderung vor allem für Afghanistan selbst. Dabei muss die internationale Gemeinschaft wie die Bundesregierung die afghanische Regierung bei der Bewältigung dieser Herausforderung unterstützen, beispielsweise durch Maßnahmen zur nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung, die Arbeitsplätze und damit Einkommensquellen jenseits des Drogenanbaus schaffen.
Wie bereits in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleinen Anfragen der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksachen 17/5013 und 17/6635 ausgeführt, hält die Bundesregierung an der grundsätzlichen Strafbarkeit nach § 29 ff. des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) in Bezug auf Cannabis und andere illegale Substanzen fest. Dieses Verbot dient dem Schutz der Gesundheit. Im Übrigen kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Änderung der deutschen Rechtslage in Bezug auf den Umgang mit Cannabis Einfluss auf die Situation in Afghanistan haben könnte.