Schluss mit einer Drogenpolitik von Vorgestern!

Beschluss der 28.Landesmitgliederversammlung (LMV) in Würzburg vom 08. bis 10. April 2011:

Bayerische Zustände: Schluss mit einer Drogenpolitik von Vorgestern!

Bayern – die Insel der drogenpolitischen Rückständigkeit

„Die Bayerische Staatsregierung wendet sich konsequent gegen einen falsch verstandenen Liberalismus im Umgang mit Suchtmitteln“ –
Beschluss der bayerischen Staatsregierung, 2008

Die globale Drogenpolitik, deren zentrales Dogma das Verbot ist, hat versagt. Unabhängig davon, dass wir Drogenverbote ablehnen, lässt sich feststellen: Es war und ist nicht möglich, mittels repressiver Maßnahmen Angebot und Nachfrage nennenswert einzudämmen. Das Gegenteil ist der Fall, die Zahl der DrogenkonsumentInnen steigt kontinuierlich an. Der illegale Schwarzmarkt entzieht sich jedweder Kontrolle. Drogenkriege, Todesfälle aufgrund schlechter, gestreckter und undosierbarer Drogen sowie ein problematischer gesellschaftlicher Umgang mit Sucht und Drogen sind nur einige der negativen Folgen der Prohibitionspolitik des 20. Jahrhunderts.

Einige Verantwortliche in der Politik haben diese Entwicklung inzwischen erkannt und haben reagiert. In den Niederlanden, in der Schweiz, in Portugal, Tschechien, Italien, Spanien und Californien, um einige Beispiele zu nennen, sind die Drogenverbotsgesetze teilweise reformiert worden und mit der Entkriminalisierung von EndkonsumentInnen ist ein erster Schritt hin zu einer liberalen Drogenpolitik gemacht. In Bayern und anderen Teilen der Republik verschläft man diese Entwicklung. Es fehlt der demokratische Prozess und die gesellschaftliche Debatte um eine positive Entwicklung zu erwirken.

Etatismus und „Gesundheitspolitik“ – Keine Toleranz der „Null Toleranz“!

„Die Gesundheit der Bevölkerung ist ein gesellschaftliches Gut.“ Beschluss der bayerischen Staatsregierung, 2008

In den drogenpolitischen Grundsätzen präsentiert sich die bayerische Staatsregierung ganz besonders hart. Man lehnt alle fortschrittlichen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte, ohne eine fundierte Auseinandersetzung damit, ab. Seien es lebensrettende Drogenkonsumräume, in denen Opiatabhängige saubere Spritzen und medizinische Betreuung erhalten, staatliche Diamorphinsubsitution für Schwerstabhängige, die oftmals medizinisch sinnvollste Behandlungsmethode oder eine Ende der Verfolgung von CannabiskonsumentInnen.

Diese pragmatischen Schritte in die richtige Richtung werden als „modische Trends“ verschrien Beschluss und zugunsten der konservativen Ideologie nimmt man massive Drogenprobleme, deren Ursache oft in der Repression selbst liegen und Drogenpolitiktote in Kauf. Dass die Staatsregierung dabei die „Gesundheit der Bevölkerung“ als „gesellschaftliches Gut“ betrachtet und der Staat somit zu bestimmen hat, wie diese zu erreichen ist, zeigt, woher der Wind weht. Wir wollen selbstbestimmtes und individuelles Leben, statt staatlich-kollektiven Gesundheitsvorstellungen.

Cannabis in Bayern – Entkriminalisierung von oben?

„In diesen Fällen ist von der Verfolgung der Straftaten grundsätzlich abzusehen.“ Cannabisbeschluss des Bundesverfassungsgerichts, 1994

Seit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1994 hat sich in der Bundesrepublik wenig getan. Die im Urteil geforderte einheitliche Einstellungspraxis bei Cannabisdelikten wurde nie umgesetzt. Die Praxis in den Bundesländer ist nach wie vor sehr unterschiedlich. Auch Bayern setzt damit den Willen des Bundesverfassungsgerichts nicht um. Es wird nach dem politischen Willen der Staatsregierung nahezu jedes Delikt verfolgt. CannabiskonsumentInnen werden dadurch kriminalisiert, obwohl der Eigenkonsum weniger potentielle negative Effekte für das Umfeld hat, als beispielsweise die legale Droge Alkohol.

Etwaige Drogenprobleme sind vor allem bei CannabiskonsumentInnen oft nur auf die Kriminalisierung selbst zurück zu führen. Die Kosten für die Verfolgung von Drogendelikten ist durch die Verfolgung von EndkonsumentInnen in Bayern besonders hoch.

Wissenschaftliche Erkenntnisse belegen, dass das Abhängigkeitspotential bei Cannabis im Vergleich zu Nikotin und Alkohol deutlich geringer ist. Diese Erkenntnisse bleiben bei der Staatsregierung vollkommen unberücksichtigt und zeigt, dass es ihr nicht um wissenschaftlich begründete Fakten geht, sondern um eine ideologische Drogenpolitik, die nicht „näher am Menschen“ ist, sondern realitätsfremd.

Die bayerische Hardlinerpraxis ist ein Indikator für ein falsches Verständnis vom Verhältnis von BürgerInnen und Staat. Es ist unerträglich, dass CannabiskonsumentInnen zum Opfer der Profilneurose der bayerischen Staatsregierung werden. Dass es auch anders geht, zeigt der besagte Blick über den bayerischen Alpenrand auf der einen Seite und dem Weißwurstäquator auf der anderen hinaus.

Stark im Leben ohne Alkohol und Drogen?

„Wenn man die zwei Maß in sechs, sieben Stunden auf dem Oktoberfest trinkt, ist es noch möglich“ ehemaliger bayerischer Ministerpräsident Beckstein über Alkohol am Steuer

Drogenpolitische Positionen der CSU und der GRÜNEN haben eines gemeinsam: die relativ willkürliche und pharmakologisch schlicht unsinnige Einteilung von Drogen in „hart“ und „weich“. Diese Einteilung lehnen wir ab, da sie Drogenprobleme verklärt und nicht erklärt. Progressive Ansätze unterscheiden substanzungebunden zwischen „harten“ und „weichen“ Konsummustern, um eine individuelle Analyse der Gefahr für die/den KonsumentIn anstellen zu können. Das ist der Weg, den auch wir gehen wollen.

Die harten Konsummuster bei Alkohol sind immer wieder in der öffentlichen Diskussion, wenn Jugendliche mit Alkoholvergiftungen in Kliniken eingeliefert werden. Hier wird von Seiten der Politik ausschließlich mit wenig lösungsorientierten Maßnahmen, wie beispielsweise Alkoholverkaufsverboten in den Abendstunden reagiert. Sinnvoller wäre endlich eine umfassende, öffentliche Debatte über Drogen und Drogenkonsum anzustreben. Auch wenn wir die Bemühungen der Staatsregierung, über die Gefahren und Folgen des Alkoholkonsums aufzuklären für grundsätzlich richtig halten, so ist eine gewisse Inkonsequenz bei der Beurteilung des Umgangs auszumachen. Während für Straftaten, die unter Volltrunkenheit begangen werden mitunter noch verminderte Schuld wegen Unzurechnungsfähigkei angenommen wird, kann bei dem Besitz einer Kleinstmenge illegalisierter Drogen eine Verurteilung drohen, ohne dass etwas passiert ist, oder jemand anderes gefährdet worden ist.

Wenn auf bayerischen Polizeiautos zu lesen ist „Stark im Leben ohne Alkohol und Drogen“ kommen wir nicht umhin, diese massive Drogenverharmlosung zu kritisieren. Alkohol ist eine Droge. Alkoholkonsum führt in der Bundesrepublik jährlich zu mehr als 40.000 Todesfällen.

Eine ernstzunehmende Drogenpolitik unterscheidet nicht willkürlich oder nach WählerInnengunst, sondern ist wissenschaftlich fundiert. Alkohol implizit aus der Reihe der Drogen zu nehmen ist unverantwortlich und wiederum ein Zeichen für die ideologische Voreingenommenheit bayerischer Drogenpolitik und schlichtweg Nonsens. Zumal in etlichen Regionen Bayern, die „Bierkultur“ hoch gehalten wird. Ganze Regionen werben mit der Droge „Alkohol“. Die Staatsregierung setzt solcher Drogenwerbung keinen Riegel vor.

Die GRÜNE JUGEND Bayern fordert ein konsequentes Werbeverbot für alle Drogen.

Das alles reicht nicht!

Die bayerische Staatsregierung könnte auf Landesebene eine Politik betreiben, die trotz der ausbleibenden Reformen auf Bundesebene den Schaden, den die Prohibitionspolitik verursacht, minimiert. Diese Möglichkeit wird nicht wahrgenommen.

Da die Landespolitik nur ein eher kleines Feld der Drogenpolitik ist, tritt die GRÜNE JUGEND Bayern für einen grundlegenden drogenpolitischen Kurswechsel in der Bundesrepublik sowie für eine durchdachte und ökonomisch stimmige internationale Drogenpolitik ein. Frei nach dem urgrünen Motto „Lokal handeln, global denken!“.

Die GRÜNE JUGEND Bayern fordert die bayerische Staatsregierung auf:

• Die Integration Bayerns in ein drogenpolitisch zunehmend liberales Europa!

• Die Umsetzung der vom Bundesverfassungsgericht beschlossenen einheitlichen Einstellungspraxis bei Cannabisdelikten!

• Eine grundsätzliche Abkehr von der ideologischen „Null Toleranz“ Politik, weil diese Probleme schafft und nicht behebt!

Das heißt im Klartext:

• Eine Ermöglichung der Einrichtung Drogenkonsumräumen in Bayern.

• Die Gleichstellung von Diamorphin mit andern Substitutionsmedikamenten.

Darüber hinaus fordert die GRÜNE JUGEND Bayern:

• Werbeverbot von allen Drogen!

• Schluss mit Prohibition und Repression!

• Die Einführung von Drogenfachgeschäften als Modell für eine alternative Drogenpolitik!

• Eine globale Kehrtwende in der internationalen Drogenpolitik!

Das Konzept „Das Drogenfachgeschäft – Modell für eine alternative Drogenpolitik“ ist Beschlusslage des Bundesverbandes der GRÜNEN JUGEND und ist unter www.drogenfachgeschaeft.de einzusehen.